Grundsteuerreform – in Baden-Württemberg 4.12.2020
Das Gesetz ist am 04.11.2020 im Landtag verabschiedet worden.
Hintergrund
Die Kommunen im Land nehmen aus der Grundsteuer jährlich 1,8 Milliarden Euro ein. Die Grundsteuer ist somit für die Kommunen eine der bedeutendsten Einnahmequellen.
Das Bundesverfassungsgericht hat die bisherige Ermittlung der Grundsteuer über den Einheitswert im Jahr 2018 für verfassungswidrig erklärt.
Der Bundestag hat fristgerecht auf Ende 2019 ein Modell verabschiedet, bei dem Grundstückswert, das Alter von Gebäuden und Mieteinnahmen herangezogen werden.
Mit einer durchgeführten Grundgesetzänderung wurde gleichzeitig den Ländern jedoch auch erlaubt, vom Bundesrecht abzuweichen (Öffnungsklausel).
Davon hat Baden-Württemberg für die Grundsteuer B (für Wohngebäude) nicht jedoch bei der Grundsteuer A (für land- und forstwirtschaftliche Grundstücke) Gebrauch gemacht.
„Modifiziertes Bodenwertmodell“ in Baden-Württemberg
Kurz gesagt:
Für die Taxierung spielen Gebäude keine Rolle mehr – allein der Grund und Boden zählt.
Nur noch Grundstücksfläche und Bodenrichtwert sind maßgeblich.
Die bisherige schwierige Bewertung von Häusern und deren Sanierungsstand ist somit überflüssig geworden.
Die Grundsteuer berechnet sich auch zukünftig in drei Schritten: Wert des Grundstücks mal ggf. Steuermesszahl mal Hebesatz.
Der Wert eines Grundstücks wird ermittelt, indem dessen Fläche mit dem jeweiligen Bodenrichtwert multipliziert wird. Der Bodenrichtwert wiederum wird durch unabhängige Gutachterausschüsse anhand von tatsächlichen Verkäufen ermittelt.
Die Landespolitik kann über die Stellschraube der Anwendung einer Steuermesszahl den Wohnungsbau lenken z. B. durch Ermäßigung um 30 %, wenn ein Grundstück überwiegend Wohnzwecken dient.
Zuletzt entscheiden die Kommunen mit ihren Hebesätzen, wie hoch die Grundsteuer in der jeweiligen Gemeinde ist.
Neueinführung der Grundsteuer C
Gerade in Ballungsgebieten besteht ein erheblicher Wohnungsmangel. Die Entwicklung der Werte der Grundstücke kann dazu genutzt werden, baureife Grundstücke als Spekulationsobjekt zu halten. Diese Spekulation wiederum verhindert, dass dringend benötigter Wohnraum entsteht. Zur Lösung dieses Problems sollen Gemeinden für baureife, aber unbebaute Grundstücke einen höheren Hebesatz festlegen können, wenn auf diesen keine Bebauung erfolgt (Grundsteuer C).
Kritik – Unvereinbarkeit mit der Verfassung
Die Reform soll grundsätzlich „aufkommensneutral“ sein, d. h. es wird in jedem Fall Gewinner und Verlierer geben.
Der Bund der Steuerzahler hat jetzt schon verfassungsrechtliche Bedenken geäußert. Er bezieht sich auf ein Gutachten des Verfassungsrechtlers Gregor Kirchhof von der Uni Augsburg.
Danach wird die Bewertung allein nach Grund und Boden als Verstoß gegen den Gleichheitssatz angesehen. Auch das steuerliche Leistungsfähigkeitsprinzip werde verletzt. Und das auch für Mieter, da die Nebenkosten in der Regel voll umgelegt werden.
Die FDP sieht in der Reform auch einen Einstieg in die Vermögensbesteuerung, da sich die Grundsteuer nun an der Lage des Objekts orientiere.
Ferner ist die Reform sehr kostenintensiv. Jedes Land muss mehrere Millionen Euro für eine eigene EDV und zusätzliches Personal ausgeben. Manche Immobilienfachleute üben auch Kritik an den Gutachterausschüssen, deren Arbeit eine extrem unterschiedliche Qualität habe.
Weiteres Verfahren
Bis Januar 2022 müssen die 5,6 Millionen wirtschaftlichen Einheiten im Land neu bewertet werden.
Dafür haben die Bürger eine Erklärung für ihren Grundbesitz bei den Finanzämtern abzugeben. Danach wird ein Grundsteuermessbescheid erlassen.
Mit den ersten Grundsteuerbescheiden ist jedoch nicht vor 2025 zu rechnen.
Es ist auch zu befürchten, dass gerade „Häuslebesitzer“ nach der Reform mehr zu zahlen haben als bisher. Es ist mit einer Klagewelle zur rechnen.
Wir Freien Wähler fordern,
dass das Land Baden-Württemberg eine verfassungskonforme und verfassungsfeste Regelung für die Reform der Grundsteuer bis 31.12.2024 erlässt. Einmal mehr ist ein Gesetz beschlossen worden, das von vornherein mit großer Wahrscheinlichkeit vor dem Verfassungsgericht scheitern wird.
Ferner wird die derzeit bestehende Regelung des modifizierten Bodenwertmodells in Baden-Württemberg aller Voraussicht nach zu einer Vielzahl von Klagen führen. Dies bedeutet neben den sowieso erforderlichen umfangreichen Umstellungsarbeiten einen hohen Verwaltungsaufwand für die Gemeinden.
Auch der Bürger darf von seinem Landesgesetzgeber erwarten, dass eine verfassungskonforme Reform der Grundsteuer erfolgt und er nicht über Gebühr belastet wird.
Quellenangaben:
- Schwarzwälder Bote. vom 05.11.2020 „Grundsteuer – Gemeinden am langen Hebel“
- https://fm.baden-wuerttemberg.de/de/haushalt-finanzen/grundsteuer/