Eine Reform verändert die Welt!

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Der Mann war eigentlich gar nicht bekannt. Doch was von ihm am 20. Juni 1948 in Gang gesetzt wurde, veränderte das Bild Deutschlands auf Jahrzehnte nachhaltig und trug wesentlich zum Wiederaufstieg Deutschlands nach der Katastrophe von 1945 bei. Kein Ereignis wird so mit einer Person in Verbindung gebracht, wie die Währungsreform von 1948.

Die Rede ist von Prof. Ludwig Erhard.

Am 20. Juni 2023 sind es genau 75 Jahre her, dass durch eine mutige und wegweisende Währungsreform die Grundlage für eine bis dahin nie erlebte wirtschaftliche Gesundung unserer Volkswirtschaft ihren Anfang nahm.

Nach dem Krieg gab es eine „zurückgestaute Inflation“ – eine immense Geldmenge und kaum Waren – und absolut kein Vertrauen in die alte Reichsmark.

Wer sich mit der unmittelbaren Nachkriegszeit beschäftigt, wird schnell mit der Zigarettenwährung „Lucky Strike“ in Verbindung kommen, welche die Reichsmark immer mehr ablöste. Doch was geschah damals eigentlich und warum war die Währungsreform so schnell so erfolgreich?

Nach dem Krieg wurde Deutschland von vier Siegermächten verwaltet. 1947 erfolgte der Zusammenschluss der amerikanischen und britischen Zone und damit die Schaffung eines relativ großen einheitlichen Wirtschaftsgebietes.

Um die Wirtschaftspolitik und die Verwaltung in dieser Zone besser zu koordinieren, initiierten die Briten und Amerikaner in Frankfurt einen „Wirtschaftsrat“, der eigenverantwortlich agieren konnte, aber dessen Beschlüsse an die Zustimmung der Militärverwaltung gebunden waren. Der zweite Direktor dieses Wirtschaftsbeirates hieß: Prof. Ludwig Erhard, der schon sehr bald die Notwendigkeit einer Währungsreform erkannte.

Am 20. Juni 1948 war es dann endlich soweit: Pro Kopf gab es ein „Handgeld“ von 40 DM, die Bankguthaben wurde im Verhältnis von 100: 6,5 entwertet (für 100 alte Reichsmark gab es 6,5 neue DM), die Schulden im Verhältnis 100:10 (für 100 alte Reichsmark musste man 10 neue DM zurückzahlen).

Damit war eine finanztechnische Grundlage für neues Geld geschaffen. Und siehe da – quasi über Nacht füllten sich die Schaufenster mit Waren. Dieser „Schaufenstereffekt“, wie es damals hieß, war von den politisch Handelnden bewusst einkalkuliert worden.

Parallel zur Währungsreform vom 20. Juni 1948 wurden von Erhard das „Gesetz über Leitsätze für die Bewirtschaftung und Preispolitik nach der Geldreform“[1] am 24. Juni in Kraft gesetzt, das vom Bizonen Parlament genehmigt wurde.

Diese beiden Ereignisse – Währungsreform und das entsprechende Gesetz – begünstigten innerhalb kürzester Zeit die wirtschaftliche Erholung in der „Bizone“ und führten bis Ende 1948 zu einem Produktivitätsanstieg um fast 50%.

Ludwig Erhard war keineswegs prädestiniert dazu, eine der wegweisesten Reformen in Deutschland nach 1945 in Gang zu setzen. Aber er hatte den Mut und vertrat mit großer Überzeugung seine wirtschaftspolitischen Ideen einer sozialen Marktwirtschaft.

1897 in Fürth geboren, besuchte er zunächst die Realschule und machte eine kaufmännische Lehre. Mit wirtschaftlichen Fragen kam er früh in Berührung, da seine Eltern in Fürth, wo die Eltern ein Ausstattungsgeschäft betrieben.

Schließlich führte ihn sein Studienweg zur Handelshochschule Nürnberg. Im Laufe seines Studiums und seiner weiteren beruflichen Tätigkeit lernte er die wirtschaftspolitischen Ideen eines Walter Eucken und Wilhelm Röpke kennen und sah darin die Grundlage wirtschaftlichen und sozialen Handelns.[2]

Am 28. August hielt Ludwig Erhard zum ersten Mal eine Rede vor einem Parteikonvent. In dieser Rede skizzierte Erhard die Grundzüge seiner Politik. Sie ist so bedeutend, dass daraus zitiert werden muss. Recht schnell kommt er bereits anfangs (zwei Monate nach der Währungsreform) auf den entscheidenden Punkt, indem er zu dieser Reform sagt, dass „wir […] unser gesellschaftliches und soziales Leben auf eine neue Grundlag“[3] gestellt haben.[4]

Für ihn, der zwei Weltkriege mitgemacht hat, war „die freie Marktwirtschaft des liberalistischen Freibeutertums einer vergangenen Ära, auch nicht das Freie Spiel der Kräfte und dergleichen Phrasen, mit denen man hausieren geht, sondern die sozial verpflichtete Marktwirtschaft, die das Individuum wieder zur Geltung kommen läßt, die den Wert der Persönlichkeit obenan stellt und die Leistung dann aber auch den verdienten Ertrag zugute kommen läßt“ wichtigste politische Leitlinie.

In einer Differenzierung im Leistungswettbewerb mit dem Anspruch einer differenzierten Entlohnung als Leistungsanreiz sieht er die Chance für jeden leistungsbereiten Arbeiter, sein persönliches Einkommen zu verbessern.[5]

Die Regeln der Sozialen Marktwirtschaft skizziert Erhard: „Dort wird nicht von unten nach oben kalkuliert, sondern hier wird unter dem Druck des Wettbewerbs von oben ein realisierbarer Preis gesetzt, und nur derjenige, der in der Lage ist, innerhalb dieses Preises seine Kosten unterzubringen, der Gnade vor den Augen der Verbraucher findet, hat seine wirtschaftliche Existenzberechtigung unter Beweis gestellt.“[6] So versteht Erhard Wettbewerb.

Das sehen wir heute als selbstverständlich an, war es aber in der damaligen Zeit keineswegs. Erhard fühlt sich mit seiner Politik dem „ganzen Volk“ verantwortlich, nicht einer „besitzenden Schicht“.[7]

Wir als Freie Wähler müssen dazu beitragen, das politische Erbe Ludwig Erhards zu bewahren und weiterzuentwickeln. Wir sind dazu aufgerufen, jeder sozialistischen Herausforderung zu widerstehen. Leider sind Erhards Ideen meiner Meinung nach nicht mehr in allen bürgerlichen Parteien präsent.

Dr. Georg Bitter

 

Weitere Quellen:

  • “Marktwirtschaft im Streit der Meinungen“. In: Erhard, Ludwig – Gedanken, Reden und Schriften. Hrsg. Hohmann, Karl, Düsseldorf 1988.
  • Mierzejewski, Alfred, Ludwig Erhard, München 2005, S. 53ff.
  • https://www.bundesbank.de/de/aufgaben/themen/waehrungsreform-1948-614040 [Stand 20.06.2023].

[1] https://www.bundesbank.de/de/aufgaben/themen/waehrungsreform-1948-614040 [Stand 20.06.2023].

[2] Vgl.: Mierzejewski, Alfred, Ludwig Erhard, München 2005, S. 53ff.

[3] “Marktwirtschaft im Streit der Meinungen“, S. 77.

[4] Vgl.: Ebd., S. 77 ff.

[5] Vgl.: Ebd., S. 83.

[6] „Marktwirtschaft im Streit der Meinungen“, S. 87.

[7] Ebd., S. 88.