Wahlkreis 33 – Baden-Baden

Für den Wahlkreis 33 wurde Herr Tommy Schindler nominiert!

 

Heidenheimer Zeitung vom 31.8.2020

Bonsai oder deutsche Eiche

Baden-Baden / Von Roland Muschel 31.08.2020 Nach bayerischem Vorbild will die Partei Freie Wähler 2021 in den Stuttgarter Landtag einziehen – gegen Widerstand des namensgleichen Vereins. Von Roland Muschel

Die Nominierungsversammlung ist offiziell beendet, als Hubert Aiwanger am Samstagabend nochmal selbst Hand anlegt. Das Rednerpult schiebt der bayerische Vize-Ministerpräsident und Wirtschaftsminister tatkräftig zur Seite.  Auf der holzvertäfelten Bühne des Löwensaals soll Platz sein für ein Foto mit dem frisch gekürten Kandidaten der Freien Wähler für den Landtagswahlkreis 33, Baden-Baden, Tommy Schindler, und weiteren Mitstreitern.

Aiwanger, 49, dunkler Anzug, gestreifte Krawatte, bayerischer Zungenschlag, ist als Bundesvorsitzender Kopf und Motor der Partei Freie Wähler, und Schindler, 63, ein Kandidat, der bestens ins Konzept des charismatischen Niederbayern passt: Mit seiner Vita verkörpert Schindler das Selbstbild der bodenständigen, bürgernahen „Partei der Mitte“, mit dem sie im März 2021 auch in Baden-Württemberg punkten will: Polizist im Ruhestand, Stadtrat, örtlicher Faschingspräsident. Ziel müsse es sein, auch im Stuttgarter Landtag „mehr gesunden Menschenverstand einfließen zu lassen“, hat Aiwanger vor der Nominierung die 80 Zuhörer im unter den Corona-Bedingungen vollen Saal des Gasthauses „Goldener Löwe“ auf das Ziel eingeschworen, die Freien Wähler auch im Südwesten in eine höhere Liga zu hieven.  „Ich wette, dass es für dieses Land besser wäre, wenn es anstelle von 15 Prozent AfD zehn Prozent Freie Wähler gäbe.“

In Bayern ist Aiwanger ein Riese, seine Freien Wähler hat er 2018 mit 11,6 Prozent als Juniorpartner der CSU in die bayerische Landesregierung geführt. Für seinen bundespolitischen Ehrgeiz aber fehlt ihm eine weitere zentrale Größe: Baden-Württemberg. In keinem anderen Bundesland sind freie Wählervereinigungen bei  Gemeinderatswahlen erfolgreicher, 2019 verteidigten sie mit im Schnitt 31 Prozent ihre Position als stärkste kommunale Kraft. Allein: Der Landesverband der Freien Wähler, ein Verein, dem tausende Gemeinde- und Kreisräte formal angehören, will mit der gleichnamigen Partei nichts zu tun haben. Das Prinzip, rein kommunal zu arbeiten, hat der Landesvorsitzende und Renninger Bürgermeister Wolfgang Faißt gerade erneut zum Markenkern erklärt. In der CDU  haben sie das mit Wohlgefallen registriert.

Ziel: zweistelliges Ergebnis

Dass die Fronten bröckeln, zeigt indes der Abend in Baden-Baden: Von den 80 Besuchern, die Aiwanger gebannt zuhören, gehören fast alle einer Freien-Wähler-Gruppierung an, stimmberechtigt und damit Mitglied der Freien-Wähler-Partei sind aber nur zehn. Man werde in allen 70 Wahlkreisen antreten, sagt Landesparteichef Klaus Wirthwein, der die Parole „70 für sieben“ ausgegeben hat: Jeder Kandidat soll sieben Prozent holen, dann reicht es beim baden-württembergischen Einstimmen-Wahlrecht locker für den Einzug in den Landtag. Bei der Europawahl 2019 habe man im Südwesten bereits 3,2 Prozent geholt, mehr als die Linkspartei.

„Herr Faißt will uns zu Bonsai-Gewächsen degradieren. Wir haben aber das Potenzial, dass wir zur großen deutschen Eiche wachsen können“, feuert Martin Ernst, Ratsfraktionschef der Liste Freie Bürger für Baden-Baden, im Löwensaal eine Salve Richtung Renningen ab. Wenn es keine „Heckenschützen“ in den eigenen Reihe gebe, „dann sind wir mit einem zweistelligen Ergebnis dabei“, ruft auch Aiwanger die Zuhörer auf, den „großen Schatz“ zu heben und die kommunalpolitischen Erfolge auf die Landesebene zu übertragen.

Der Freiburger Politikwissenschaftler Ulrich Eith sieht das kritisch. „Die Partei versucht, auf der Reputation der kommunalpolitischen Vereinigung zu surfen und deren Reputation auf ihre parteipolitischen Mühlen zu lenken“, sagt Eith am Telefon. Im kommunalen Bereich hätten sich die Freien Wähler den Ruf einer pragmatischen Politik erarbeitet. „Aber überregional stellt sich die Frage: Wofür steht  diese Partei?“ Nur auf den angeblich gesunden Menschenverstand zu verweisen, sei „ein bisschen wenig“, um den Wählern Orientierung zu geben, findet Eith. Bis jetzt, sagt der Politologe, sehe er „keine Anzeichen, dass die Partei in Baden-Württemberg Fuß fassen kann“.

Das sehen Aiwanger und seine Mitstreiter im Südwesten, die im Wahlkampf für die Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium (G9), Bürokratieabbau, den Ausbau des ÖPNV und die schnellere Abschiebung abgelehnter Asylbewerber kämpfen wollen, anders. „Ich bin überzeugt, dass wir in Baden-Württemberg ein noch größeres Potenzial als in Bayern haben“, sagt Aiwanger am Nachmittag beim Gespräch in einem Baden-Badener Biergarten. „Die CSU ist im bürgerlichen Lager präsenter als es die Südwest-CDU ist, und der AfD-Chaoshaufen in Baden-Württemberg hat den bürgerlichen Protestwählern gezeigt, dass Stimmen für diese Partei verlorene Stimmen sind.“

Kommunale Größe in Süddeutschland

Kommunale Wählergemeinschaften sind traditionell im Süden Deutschlands stark verbreitet. Sie haben auf Landes- wie auf Bundesebene Interessenvertretungen, die als bloße Verbände aber nicht an Landtags- oder Bundestagswahlen teilnehmen können. Viele Mitglieder sehen die Beschränkung auf die Kommunalpolitik ohnehin als essenziell an – aber längst nicht alle.

Die Partei Freie Wähler entstand aus der Mitte des Bundesverbands. Ihre größten Erfolge feiert sie bislang in Bayern, wo sie unter Führung von Hubert Aiwanger 2008 erstmals in den Landtag einzog und seit 2018 mit der CSU regiert. Sie peilt auch den Bundestag an.

Wahlkreis: Baden-Baden (33)
Name der Bewerberin: Tommy Schindler
Geburtsdatum und Ort: 22.06.1957 in Baden-Baden
Wohnort: 76534 Baden-Baden
Ausbildung und wo absolviert: 1974 -76 Ausbildung zum Gärtner in Baden-Baden

1980 – 82 Ausbildung zum Polizeibeamten in Lahr

Ausgeübter Beruf: Pensionär
Wenn möglich, Arbeitgeber:
Themenschwerpunkte Politik: Innere Sicherheit, Ehrenamt
Familienstand: Geschieden
Kinder: 2 Töchter, 28 und 27 Jahre alt
Ehrenämter: Stadtrat, 2. Vorstand einer Bürgergemeinde, Vorstandsmitglied in diversen Vereinen, ehrenamtlicher Helfer in einem Pflegeheim
Hobby: Musik, Hund, Katze, Sport, Verein,
Persönlicher Leitspruch: Man kann nicht jeden Tag etwas Großes tun, aber gewiss etwas Gutes.